Marcus Scholz

28. November 2017

Grau war es im Volkspark heute Vormittag. Und regnerisch, wie Ihr in dem wie immer hochprofessionell gedrehten Trainingsvideo erkennen könnt. Ebenfalls erkennen könnt Ihr, dass heute gedrosseltes Programm gefahren wurde. Soll heißen: Alle zuletzt irgendwie mal angeschlagenen Spieler sowie die mit Einsatz gegen Hoffenheim durften heute nach nur einer Stunde wieder ins Warme, sich behandeln lassen und/oder Stabilisationstraining absolvieren. „Aktive Erholung“ also, ehe es morgen wieder in den normalen Trainingsprozess übergeht. Dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Wobei ich eines nach Wochen der Kritik unbedingt erwähnen möchte: Schaut Euch bitte die kurzen Sequenzen an und vergleicht sie mit den Videos der letzten Wochen. Dann werdet Ihr feststellen, dass beim HSV nicht nur Jann-Fiete Arp mit breiter Brust auftritt, sondern auch ein Gotoku Sakai wieder, ein Douglas Santos, ein Filip Kostic – sogar ein Mergim Mavraj traut sich wieder, Kommandos zu geben und Verantwortung zu übernehmen. Und das sind nur wenige Beispiele. Die Folge der letzten drei Spiele sicher – aber eben genau das, was der HSV am Freitag in Freiburg ausbauen muss. Mit mindestens einem oder gar drei Punkten im Breisgau.

Tatsächlich hat der HSV neben den drei Punkten gegen Stuttgart und Hoffenheim auch wieder etwas Ruhe gewonnen. Heribert Bruchhagen ließ sich heute trotz der weiter kolportierten Gerüchte, er solle von Finanzvorstand Frank Wettstein abgelöst werden, nicht aus der Reserve locken und verwies auf die Bedeutung der letzten Spiele. Erst danach könne der Vorstand wieder zum Thema werden. Und das wird so durchgewinkt - womit wir beim zweiten Punkt sind, der sich durch die drei Punkte gegen Hoffenheim für den HSV verbessert hat. Zumal selbst das Aufsichtsratstheater um Klaus Michael Kühne und Jens Meier pausiert. Oder besser gesagt: Selbst hier gibt es positive Tendenzen bis hin zu einer angeblichen Einigung auf einen gemeinsamen, sechsten Kandidaten.

„Es gibt keine Alternative zu sportlichem Erfolg“ heißt es im Profisport immer wieder – und das gilt sicherlich hier auch. Jetzt, wo der HSV mal wieder etwas überzeugender gespielt und sogar gewonnen hat, wird er positiver wahrgenommen. „Es ist deutlich zu spüren, dass die Punktgewinne im Rücken uns helfen. Tabellarisch aber auch in der täglichen Arbeit. Es kommt eine wohltuende Ruhe rein, und wir werden außen wieder positiver wahrgenommen“, sagt Sportchef Jens Todt, der aktuell in Buenos Aires weilt, um sich dort etliche Spiele anzusehen. Sollte alles ruhig bleiben in Hamburg, dann wird der Sportchef sogar bis Sonntag noch in Argentinien bleiben, um sich einen breitflächigen Überblick über Transferkandidaten machen zu können.

 

Apropos: Nachdem der Verkauf von Arp an den FC Chelsea in England als beschlossen vermeldet wurde, ist Todt weiter ganz entspannt. „Das wird sicher nicht das einzige Gerücht bleiben bei so einem Jungen“, prophezeit er, „aber wir haben hier eine klare Absprache mit dem Berater von Fiete, dass wir uns im neuen Jahr unterhalten. Bis dahin wird nichts passieren.“ Wobei dieser Wunsch auch daraus resultiert, dass Jürgen Milewski, der Berater von Arp, zusammen mit dem gefeierten Angreifer sehen will, ob die letzten Wochen hier nur ein kleines Strohfeuer waren oder tatsächlich der HSV eine ernstzunehmende Alternative im Entwicklungsplan des Youngsters darstellt. „Wenn Fiete sich seine Platz hier sichert und erkennt, dass er seine Zeiten bekommt, gibt es kaum etwas besseres als den HSV für ihn. Trotz aller möglichen Angebote“, so Todt (zweck-)optimistisch.

Gewonnen hat der HSV dank Jann Fiete Arp allerdings eh schon. Zwei Spiele – und vor allem bundesweite, sogar internationale Reputation. Und Arp ist weit mehr wert für den HSV als allein die 90 Minuten auf dem Platz. Er kann als Türöffner für andere Talente immer wieder bei Gesprächen genannt werden. Beispielsweise bei Ajax-Mittelfeldspieler Frenkie de Jong. Das 20-jährige Mittelfeldtalent ist in den Niederlanden unzufrieden und wird neben RB Leipzig, Bayern München sowie den üblichen englischen Klubs auch mit dem HSV in Verbindung gebracht.

Zurecht übrigens, wie Todt gegenüber der Rautenperle bestätigt hat: „De Jong ist ein Spieler, den wir uns anschauen und den wir wie ein Dutzend anderer Spieler intern diskutieren“, so Todt über den torgefährlichen Niederländer, der aktuell unzufrieden mit seinen Einsatzzeiten ist und dies auch jüngst laut kommunizierte. Nachdem er am Wochenende wieder erst zur Halbzeit eingewechselt wurde, bereitete er nicht nur drei Tore beim 5:1-Sieg gegen Kerkrade vor, sondern legte anschließend noch mal nach. Er merkte an, dass er sich in einer Phase befindet, in der er „spielen muss“. De Jong erklärte: „Das ist mein Gefühl und darum muss ich auch kein Geheimnis machen. Die Entscheidung liegt beim Trainer, aber ich weiß nicht, was ich noch mehr tun kann.“

Bislang reichte es in der laufenden Spielzeit immerhin zu 13 Pflichtspieleinsätzen. Ein Tor und sieben Vorlagen stehen für den Spielmacher zu Buche. Eine außergewöhnlich gute Quote. Allerdings sei die Position de Jongs, der als offensiver Part in einer Doppelsechs agiert, nicht priorisiert gesucht derzeit. Im Gegenteil: Todt kann sich weiterhin sehr gut vorstellen, die Rückrunde personell unverändert anzugehen. „Ich habe es nie so grau gesehen wie viele andere in unserem erweiterten Umfeld“, so Todt, „weil wir es dieses Jahr besser machen als letztes Jahr. Wir kriegen es besser hin, davon sind wir weiterhin absolut überzeugt.“

Nun denn, was soll er auch sonst sagen? Und so sehr ich mich über die letzten Ergebnisse im Volksparkstadion auch freue, sehe ich den Kader in der Breite noch nicht so stabil aufgestellt, dass man von einer sorgenfreien Saison ausgehen darf. Allerdings kann der SV einen ganz wichtigen Schritt machen, wenn er am Freitag in Freiburg zählbares mitnimmt und den SC so auf Distanz hält oder den Vorsprung sogar mit einem Auswärtssieg noch ausbauen kann. „Wir wollen am Freitag natürlich nachlegen und die Form bestätigen“, sagt Todt, der aller Voraussicht nach selbst nicht im Breisgau dabei sein kann, weil er dann noch in Buenos Aires sein wird und von dort aus das Spiel verfolgt.

Von dort aus verfolgte er auch die positiven Reaktionen auf den in der vergangenen Woche schon unterschriebenen und heute final verkündeten Profivertrag mit Tobias Knost, der ab Sommer 2018 bis 2020 laufen wird. „Tobias hat eine tolle Entwicklung hingelegt und ist ein Leistungsträger in unserer U19“, ließ sich Todt auf hsv.de zitieren. „Er konnte sein Potenzial und seine Dynamik schon im Training und in einigen Testspielen bei den Profis unter Beweis stellen.“ Ab Sommer soll es das noch 17 Jahre junge Abwehrtalent dann dauerhaft.

 

Insofern geht der HSV den Weg über die eigenen Talente konsequent weiter und wäre gut beraten, jetzt mit aller Macht (und entsprechender Investition) den Moment für seine eigenen Vorteile zu nutzen. Soll heißen: Spieler wie de Jong müssen jetzt angegangen und mit der nachweislichen Perspektive gelockt werden, in Hamburg als junge Spieler besondere Chancen auf Einsätze zu haben. Denn wenn sie gute Berater haben wie Arp – deshalb gehe ich auch noch lange nicht über die Brücke, dass Arp nicht zu halten ist -, dann sind Einsätze in Top-Ligen oft höher zu bewerten, als einige Euros mehrt bei internationalen Topteams als Reservist.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert. Ich melde mich aber ab 13 Uhr via unsere Facebookseite (Rautenperle.com) live mit der Pressekonferenz mit Trainer Markus Gisdol bei Euch. Bis dahin!

Scholle

 

P.S.: Nicht unerwähnt bleiben soll hier natürlich, dass einer der besten Fußballer aller HSV-Zeiten (menschlich wie sportlich) am Montagabend ach 23 Jahren als herausragender Fußballprofi seine Karriere beendet hat. Zum Abschied gab es neben vielen Emotionen auch verdientermaßen einen 2:0-Sieg für Zé Robertos Klub Palmeiras São Paulo gegen Botafogo Rio de Janeiro. Und auch wenn ich mit Zé Roberto eine der größten Enttäuschungen verbinde, weil er leider hier in Hamburg nie so eingebunden werden konnte, dass er sein komplettes Potenzial für den HSV hervorholen konnte, verbeuge ich mich vor dem 43-Jährigen und wünsche ihm von hieraus alles Gute für die Zeit danach! Alles Gute, großer Zé! Es war für mich immer ein absoluter Genuss, Dich auf dem Platz zu beobachte. Im HSV-Dress – aber auch als Gegner habe ich mich immer auf Dich gefreut!

Danke dafür!

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