Marcus Scholz

3. November 2020

 

Er bleibt. Jonas Boldt hat seinen Vertrag beim HSV heute bis 2023 verlängert.  „Wir haben großes Vertrauen in Jonas' Arbeit und wollen die sportlich strategische Gesamtentwicklung fortsetzen“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende und Präsident des HSV e.V., Marcell Jansen, heute Mittag nach Verkündung der Vertragsverlängerung, die bei den allermeisten Fans mehrheitlich für Freude gesorgt hat. Von der so lange vermissten, dringend notwendigen Konstanz ist da immer schnell die Rede – und mich nervt diese eindimensionale Totschlag-Argumentation ein wenig. Denn Konstanz schlägt eben nicht Qualität und System.  Von daher hat es mich nie tangiert, dass der Aufsichtsrat sich hier nicht hat treiben lassen, sondern die Gespräche in aller Ruhe geführt, bewertet und im Anschluss daran entschieden hat.

Diese Konstanz ist wirklich gut

Auch Boldt, dem in den vergangenen Wochen Kontakte unter anderem zur AS Rom nachgesagt worden waren, freute sich über die Einigung: „Der Aufsichtsrat hat deutlich gemacht, wie er die Entwicklung in meiner bisherigen Amtszeit betrachtet und bewertet. Es steht außer Frage, dass wir noch ganz am Anfang eines langwierigen Entwicklungsprozesses stehen, den beide Seiten gerne weiter miteinander beschreiten wollen.“ Er wolle mit seinem Team weitere Beiträge zur positiven Entwicklung des Zweitliga-Spitzenreiters leisten, betonte er. Dafür habe er in den Gesprächen eruiert, ob die Gremien über Aufsichtsrat, Vorstand und andere Funktionsträger auch zukünftig inhaltlich an einem Strang ziehen. „Mir war es wichtig, dass wir auch so im Team zusammen bleiben“, so Boldt, der damit sicherlich in allererster Linie die von ihm hinzugeholten Kollegen meint. Von Sportdirektor Michael Mutzel über Chefscout Claus Costa bis zum letzten Zugang Horst Hrubesch.

Und ja – hier finde ich Konstanz gut. Aber nicht ob der Konstanz an sich, sondern, weil ich die bisherige Arbeit dieser eben genannten Mitarbeiter gut sehe. Dass Boldt und Co. intern für gute Stimmung in der Belegschaft gesorgt haben – okay. Das ist gut. Entscheidender aber für die Bewertung seiner Arbeit ist der Kurs, auf dem sich der HSV aktuell befindet. Und obgleich man den kompletten Umschwung auf junge Spieler wieder gemieden hat, geht man über den Trainer diesen Weg. Denn Daniel Thioune nimmt junge Spieler immer wieder in die Pflicht, er fordert und fördert sie. Mithilfe einigen älterer Spieler haben er, Boldt, Mutzel, Costa und Co. ein Gerüst geschaffen, das den Jungen die Entwicklung hin zum vollwertigen Profi erleichtern.

Thioune springt schwachem Gjasula zur Seite

Selbst dann, wenn sie mal nicht spielen, wie Thioune heute noch einmal betonte, als wir ihn auf Toni Leistner und vor allem Klaus Gjasula ansprachen. Beide konnten bislang noch nicht wirklich überzeugen. Leistner, weil er gesperrt war – Gjasula mit seinen Leistungen auf dem Platz. Und Letztgenanntem sprang Thioune heute ein wenig zur Seite: „Es ist ein bisschen schwer im Moment. Das wissen wir alle, das sehen wir alle. Wir sind ja nicht blind. Wir müssen ihm sehr viel helfen, damit er aus dem Tal wieder rauskommt“, so Thioune, der für die sachwachen Leistungen mangelnde Fitness verantwortlich macht: „Es gab schon in der Vorbereitung ein paar Szenen, wo er Schwierigkeiten hatte. Da sind wir geduldig, die Zeit geben wir ihm. Wir wissen ja auch um seine Stärken, wir wissen aber auch, dass er noch mehr kann.“

Ich hatte ja gestern länger mit Youngster Josha Vagnoman gesprochen, der vor allem die Mischung im Team lobte und davon sprach, dass selbst die älteren Spieler positiv auf den Teamgeist einwirken würden, die aktuell nicht so zum Zuge kommen würden. Und damit meinte er auch Gjasula, der nicht umsonst Vize-Mannschaftskapitän geworden ist. Ebenso wie Leistner. Und ganz ehrlich: Im Training ist das zu erkennen.

 

Logischerweise würde sich diese Stimmung ein wenig drehen, wenn der Erfolg mal länger ausbleibt und die Unzufriedenen in der Mannschaft es leichter haben, kritische Töne anzubringen, die bei 16 Punkten nach sechs Spielen ungehört verhallen würden. Dennoch hat sich in dieser Mannschaft schon ein Kern gebildet, der gesund wirkt – glaubt nicht nur Vagnoman. So sieht es auch der Trainer.

Und genau darum geht es. Ich hatte vor der Saison schon gesagt, dass ich für eine erkennbare Entwicklung des HSV auch noch ein oder zwei Jahre Zweite Liga in Kauf nehmen würde. Ich will es nicht – aber ich würde es selbst dieses Jahr machen, wo man einen bislang sehr gesund wirkenden Mittelweg aus Entwicklung junger Spieler und Platzierung von Erfahrung und Qualität gewählt hat. Zumindest bewahrheitet sich bislang das, was Boldt im Sommer auch auf meine enttäuschten Fragen nach zu wenig Jugend im Team gesagt hatte.

Man kann darüber diskutieren, ob man Boldts Vertrag heute schon hat verlängern müssen. Man hätte ganz sicher auch bis zum Ende der Hinrunde warten können, wie sich die Mannschaft entwickelt. Vom dieser ruhigen Grundhaltung bin ich sogar ein großer Freund. Fremde Angebote wie das kolportierte AS-Rom-Interesse tangieren mich wenig. Sollte fremdes Interesse dazu führen, dass sich jemand abwendet vom HSV, dann kann man es nicht verhindern. Entscheidend hierbei ist nie die personelle Konstanz, sondern die inhaltliche.

Entscheidend ist, dass der HSV seinen Weg weitergeht

Und hierbei entscheidend ist, dass der HSV eine Philosophie hat, die Erfolg verspricht und an der er festhält. Der Weg ist entscheidend. Wer diesen am Ende durchsetzt – das ist tatsächlich fast egal! Solange diese Person geeignet ist und der HSV sich dafür nicht über Verhältnisse finanziell verbiegen muss. Nichts wäre schlimmer, als in der aktuellen HSV-Situation mit jahrzehntelangen Verbindlichkeiten und einem zweiten Corona-Lockdown samt Kurzarbeit für die Mitarbeiter einem Vorstand einen Mondvertrag anzudienen. Im Gegenteil: Es wäre ein verheerendes Zeichen an die Mitarbeiter.

Wenn man einen so geeigneten Verantwortlichen wie Boldt hat und an ihm festhalten kann – top. Aber auch hier gilt: Nicht um jeden Preis. Und wenn meine Informationen stimmen, hat sich Boldt mit dem Aufsichtsrat auf ein gutes Grundgehalt zuzüglich leistungsbezogener Prämien geeignet. Ein sehr guter Weg, wie ich finde. Oder wie es Aufsichtsratsboss Marcell Jansen formuliert: „Die Vertragsverlängerung ist das Ergebnis einer beidseitigen Wertschätzung, unserer inhaltlichen Ausrichtung und eines strukturierten, zielführenden Prozesses, der stets von Offenheit geprägt war.“

 

So viel zu den guten Nachrichten – aber es gab leider auch noch eine nicht so gute: Bakery Jatta wird weiter ausfallen. Der Gambier wird wegen seiner Adduktorenzerrung auch am Montag bei Holstein Kiel noch nicht dabei sein können. Aber auch Baka wird es entschuldigen, wenn schreibe: Ich werte den heutigen Tag insgesamt als einen sehr guten Tag für den aktuellen HSV.

In diesem Sinne, bis morgen,

Scholle

 

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